Bremensia

Kirchliches Gemeinderecht in Bremen

Ein historischer Abriss

Dom zu BremenDie bremische Kirchenlandschaft ist in Deutschland einmalig. Ihre Struktur beruht auf zwei traditionellen Merkmalen: dem Recht auf freie Predigerwahl und dem Recht auf freie Gemeindewahl. Jede Gemeinde ist danach berechtigt, ihren Prediger selbst zu wählen. Jeder Gläubige kann die Gemeinde besuchen, die seinen Glaubensvorstellungen am ehesten entspricht. Es gibt kein zentrales Organ, das in die Belange der Gemeinden ohne deren Zustimmung eingreifen könnte. Die Bremische Evangelische Kirche stellt lediglich einen Zusammenschluss der Einzelgemeinden, aber keine übergeordnete landeskirchliche Behörde dar.

Die theologische Heterogenität, die die Bremische Evangelische Kirche auch heute noch prägt, ist ein Phänomen, dessen Wurzeln in die Reformationszeit zurück reichen und das im 19. Jahrhundert seine endgültige Gestalt gewann. Charakteristisch ist das Nebeneinander von theologisch teilweise völlig gegensätzlichen Religionsauffassungen. Bibeltreue Erweckungsprediger wie Gottfried Menken oder Bernhard Dräseke bestimmten die religiöse Landschaft ebenso, wie etwa die monistisch-freidenkerischen Pastoren Albert Kalthoff und Emil Felden.

Die Kirchenordung von 1534 besiegelte die Einführung der Reformation in Bremen. Sie hielt gleichzeitig fest, dass jede Altstadtgemeinde ihren Prediger selbst zu wählen hatte. Der Senat bestätigte die Wahl anschließend und sprach die Berufung aus.

Die Entwicklung des 18. Jahrhunderts brachte den einzelnen Gemeinden ein Höchstmaß an Autonomie. Der Senat und das Geistliche Ministerium, ein theologisches Beratungsgremium, griffen nur noch in Einzelfällen ihre Belange ein. Die Wahl eines Pfarrers wurde so zum Plebiszit für eine bestimmte theologische Ausrichtung und führte im Rahmen des vorherrschenden Calvinismus zu einer theologisch äußerst heterogenen Kirchenlandschaft.

1802 erließ der Senat ein Toleranzproclam und beendete damit die strukturelle Benachteiligung der Lutheraner gegenüber den reformierten Calvinisten. Es schrieb die grundsätzliche Gleichberechtigung aller Konfessionen in Bremen fest. Sichtbarster Ausdruck dieser neuen Gleichheit war die Angleichung der Kosten für das Bürgerrecht. Lutheraner zahlten nun die gleiche Summe und nicht mehr erheblich mehr, als die Reformierten.

Auch die Kirchspielgrenzen waren inzwischen aufgehoben worden, womit jeder Gläubige unabhängig von seinem Wohnort entscheiden konnte, welcher Kirchengemeinde und welcher Glaubensrichtung er angehören wollte.

Der Bremer Kirchenstreit von 1845 besiegelte schließlich die Lehrfreiheit in den hiesigen Gemeinden. Das Ministerium der Pastoren, das eigentlich den Senat beraten sollte, sich aber mehrheitlich als kirchentreu erwies, wollte den liberalen Pastor Carl Nagel von seinem Amt suspendieren. Nagel war Anhänger eines theologischen Rationalismus und begeisterte sich für naturwissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt. Das Ministerium tendierte eher zu einer orthodoxen Glaubensauffassung, die mit Aufklärung und Wissenschaft nicht vereinbar war. Der von Johann Smidt geführte Senat verteidigte nun die staatliche Kirchenhoheit, indem er die Entscheidung des Ministeriums gegen Nagel kassierte und darüber hinaus das Prinzip der Freiheit von Forschung und Lehre auch in kirchlichen Dogmenfragen festschrieb. Das Senatsconclusum von 1845 zementierte die Gemeindefreiheit weiter, stärkte die Position der bürgerlichen Laien in den kirchlichen Gremien und beendete die traditionelle Hegemonie der altprotestantischen Kirche in Bremen.

Die Nachrevolutionsverfassung von 1854 bestätigte zwar die prinzipielle staatliche Oberaufsicht über die Gemeinden, schränkte aber deren Autonomie nicht weiter ein.

Eine Gesamtvertretung der bremischen Gemeinden existiert seit 1876, ohne dass sie eine Funktion einnahm, die mit der einer Landeskirche vergleichbar gewesen wäre.

Einen Landesbischof gab es nur zwischen Januar 1934 und Kriegsende. Die heterogene Struktur der bremischen Gemeinden war mit dem Anspruch der Deutschen Christen auf weltanschauliche Hegemonie nicht vereinbar, weshalb die Autonomie der Einzelgemeinden durch die Einführung des Führerprinzips massiv beschränkt wurde. Heinz Weidemann übernahm 1933 das Amt des Schriftführers der Bremischen Evangelischen Kirche, bezeichnete sich aber selbst als Landesbischof.

Die Bremer Verfassung von 1947 stellte die traditionelle Autonomie der Gemeinden wieder her. Die kirchenrechtlichen Bestimmungen gelten bis heute. Die Gemeinden und Gemeindeverbände haben den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Ihre Dachorganisationen sind der Kirchentag als eine Art Kirchenparlament und der Kirchenausschuss. Letztere besteht aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten, dem Schriftführer und neun bis zwölf weiteren Mitgliedern.

Hinzugefügt am 27. Juni 2008 | Marcus