Bremensia

»Wow, very mystical!«

Bilder aus Bremen im Global Village

DomkryptaManche kennen vielleicht das Internet-Fotoalbum Flickr noch nicht. So um die 10–15 Millionen Benutzer digitaler Kameras haben dort mehr als 100 Millionen Bilder abgelegt (Stand Frühjahr 2008). Meistens finden sich die immer wiederkehrenden Motivreihen, wie sie seit jeher in den Fotoalben dominieren: Haustiere, Freunde, stimmungsvolle Naturbilder und dergleichen mehr. In Bremen können Einheimische jetzt verfolgen, wie amerikanische Touristen ihre „Gute Stube“ wahrnehmen; Auswärtige dürfen unter dem Suchwort „Bremen“ schon mal nach Postkartenmotiven stöbern.

Mitunter erscheinen inmitten dieser Sammlungen plötzlich bekannte Objekte unter einem neuen, ungewöhnlichen Blickwinkel. Oder sie zeigen Motive aus bekannten Orten, an denen wir sonst achtlos vorbeigehen würden. Wann haben wir das letzte Mal vor dem Rittergrab in der Kirche Unser Lieben Frauen innegehalten und der Gralslegende gedacht? Oder wann konnte man zum letzten Mal nach Murnaus Nosferatu (1921) angesichts einer Kostprobe Bremer Architektur aus Riensberg so frei und unbefangen sagen: »These are the kind of locations where Dracula would feel at home, and his Bremen residence looks condemned«? [1] Und wann haben Sie eigentlich das letzte Mal bei Sonnenuntergang am Domportal so richtig genau hingeguckt?

DomportalEine kleine Schar ambitionierter Bremer Fotokünstler stellt ihre Werke seit gut einem Jahr unter dem Schutz des Pseudonyms im Global Village aus. Nun möchte man eigentlich meinen, dass diese Einzelstücke in der Bilderflut digitalen Fotoschaffens komplett verschwinden sollten. Aber das tatsächlich interessante Element bei Flickr ist natürlich die Community. Menschen aus aller Welt sammeln sich in Themengruppen, vergeben dort Preise, erstellen Listen ihrer persönlichen Favoriten und erteilen Kommentare zu den Werken anderer. Und da wird es gerade bei den religiösen Artefakten manchmal richtig spannend.

Mit welchen Augen betrachtet eine historisch interessierte Person aus Taiwan das obige Foto [2] vom Bremer Domportal?

When viewed large, the two semi-circle gilded panels where the paintings are dazzle awe-inspiringly. The title golden sundown is an excellent choice. The treatment of the photo does make it look like a dream vision, an oracle, dawning on the dormant dome and walls that seem to have slept for centuries.
I like the burnt-marks-like smokey black on several parts of the facade which add historicity and mystery to the whole architecture. The blackness in the two small arched entrances is intriguing… [3]

»Ein Traumgesicht, ein Orakel, vor sich hin dämmernd auf dem schlummernden Dom,Domkrypta auf Wänden, die seit Jahrhunderten geschlafen zu haben scheinen.« Diese Fotos auf Flickr inspirieren Menschen für den Moment; die Botschaft, die sie transportieren, steigt aus der Kommunikation von Bild, Bildtitel und Kommentaren hervor. Ihr Kontext ist nicht die Tradition der Erbauer, die sich noch in anderen, viel schwerfälligeren Medienkanälen fortbewegte. Es geht ihnen weder um Architekturstile noch um historische Authentizität – was zählt, ist das universelle Potenzial des einzelnen Bildes an sich, dessen Fähigkeit, im Betrachter eine Assoziationskette zu verwandten Inhalten zu erzeugen. Auf diesen Wegen entfalten die historischen Denkmäler der Stadt ein neues Eigenleben und werden zu schillernden Repräsentationen der Vorstellungskräfte in der Global Community.

Noch handelt es sich bei solchen kleinen Kunstwerken um Einzelfälle und es wäre gewagt, aus ihnen einen allgemeinen Trend ableiten zu wollen. Im BBKR haben wir uns aber vorgenommen, die Entwicklung weiter zu beobachten und für uns und unsere Besucher unten einen Newsfeed eingestellt, der die tagesaktuellen Bilder auf Flickr, die sich im weitesten Sinne auf Religion in Bremen beziehen, auflistet. Auch wenn das Fenster zuerst leer sein sollte, mit der Zeit wird es sich füllen. Neben Fotokunst liefert die Abfrage auch Dokumente verschiedenster Couleur zur Lokalen Religionsgeschichte. Obwohl die Inhalte sicher nicht immer unseren Meinungen entsprechen werden, finden wir, dass sich ein Bookmark lohnen kann!

[1] Michael Koller: Nosferatu (Eine Symphonie des Grauens). Senses of Cinema: 2000. Bremen war nur ein imaginärer Schauplatz der Handlung, tatsächlich fanden die Dreharbeiten in Wismar, Lübeck und Potsdam statt.

[2] Auf dieser Seite sind nur Bilder wiedergegeben, die unter der so genannten Creative Commons Licence eingestellt wurden. Weitere Bilder – auch von hier verlinkte – können unter restriktivere Lizenzen fallen. Bitte informieren Sie sich bei den einzelnen Bildern auf Flickr.

[3] yufen* (Taipei) im Kommentar zu cosmonautirussi (Bremen), März 2008.

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Hinzugefügt am 22. März 2008 | Tilman